Zeitungsbericht über Walter Rühl
Verfasst: 24. Okt 2017, 20:16
Quelle: Allgemeine Zeitung / Rhein Main Presse
http://www.allgemeine-zeitung.de/lokale ... 264376.htm
Von Frank Schmidt-Wyk
Du drehst den Zündschlüssel und weckst das wilde Tier. Zwei Meter vor dir erhebt sich unter der Haube ein Grollen, ein Rasseln, ein Blubbern – ein Geräusch jedenfalls, das so gar nichts mit dem Surren moderner Motoren zu tun hat oder gar mit der Geräuschlosigkeit von Elektroautos. Es klingt, als ob der 4,7 Liter Achtzylinder das Benzin genüsslich gurgelt. Du drückst auf das Gaspedal und gleitest über die Wellen der Weinberge wie mit einem Motorboot. In einem dunkelblauen 66er Mustang Cabrio mit stahlblauen Kunstledersitzen fährt man nicht, schon gar nicht zu einem bestimmten Ziel. Man cruist, durch die Gegend.
Nein, mit Vernunft hat das hier nichts zu tun. In einer Zeit, da viel über Abgasgrenzwerte und Elektromobilität geredet wird, ist nichts vernünftig daran, einen 50 Jahre alten Ford Mustang zu besteigen. Ein Auto mit dem Spritverbrauch und dem CO2-Ausstoß eines Kleinflugzeugs. Nicht mal bei VW würden sie es schaffen, eine funktionierende Schummelsoftware zu entwickeln.
Vor der Halle steht das Auto von James Bond
Das ist Walter Rühl also schon mal nicht: ein Mann der Vernunft. Sondern jemand, in dem die Leidenschaft auf maximaler Flamme brennt. Der tagtäglich vierzehn Stunden und mehr in der Werkstatt steht, bis spät abends an historischen Fords herumschraubt und Ersatzteilkataloge wälzt. Der auch noch das Glück hatte, mit seiner Frau Ute früh eine Partnerin gefunden zu haben, die ihn nicht etwa einbremste, sondern sich gemeinsam mit ihm auf das Abenteuer Mustang einließ.
Seit 1992 gibt es die Werkstatt am Ortsrand von Nieder-Saulheim, in der Kellereistraße. „Walters Auto Service“: ein klarer Fall von Understatement. Dass sich dieser Betrieb auf Legenden mit vier Rädern spezialisiert hat, deutet der Name nicht mal an. Ist auch gar nicht nötig – in Deutschland, ach was, in Europa gibt es nicht viele vergleichbare Werkstätten. Rühls Kunden kommen aus dem ganzen Rhein-Main-Gebiet, aus Köln, Berlin, aus den Niederlanden, aus der Schweiz, aus Österreich, insgesamt rund 330, allesamt Besitzer eines Ford Mustangs aus der ersten Baureihe, die zwischen 1964 und 1973 in Detroit vom Band lief. Spätere Modelle sind für Liebhaber weniger interessant. Ute Rühl, die sich bei „Walters Auto Service“ um die Buchhaltung kümmert, zeigt auf ein knallrotes Cabrio vor der Halle: Der Besitzer, ein Mann aus Frankfurt, zieht demnächst nach Spanien und lässt den prächtigen Wagen hier nochmal gründlich durchchecken – wer weiß, ob er in Spanien jemanden findet, der sich genau so liebevoll um sein Baby kümmert wie die Rühls in Saulheim.
Draußen stehen noch etliche weitere Schätze. Der 68er GT 390 Fastback eines Frankfurter Kunden, das gleiche Modell, mit dem Steve McQueen im Kultfilm „Bullitt“ durch San Francisco jagt: elegantes Schrägheck, unter der Motorhaube ein respekteinflößender 6,6 Liter Achtzylinder. Später fährt ein Hotellier aus Kelsterbach seinen 73er Mach 1 Fastback vor. Es ist der Wagen, mit dem Sean Connery in „Diamantenfieber“ als James Bond in Las Vegas den Sheriff narrt. Rühl hatte sogar mal den Original 65er GT aus dem Actionthriller „Lock Up“ da. Im Fahrzeugbrief stand noch der Name des früheren Besitzers: Sylvester Stallone. Offenbar hatte sich der Schauspieler bei den Dreharbeiten so in den Mustang verguckt, dass er ihn kaufte.
Diese Werkstatt ist nicht nur ein Museum mit täglich mehrfach wechselndem Inventar, sondern auch ein bisschen wie Kino: Wenn morgens das Schiebetor hochgeht und den Blick in die Halle freigibt, ist es, als ob sich ein Vorhang hebt.
Ein blaues Wunder in Metallic
Man ahnt es: Wer einen schicken 1er Mustang fahren will, sollte schon etwas Kleingeld übrig haben. Unter 30 000 Euro läuft nichts, sagt Rühl. Also für einen Restaurierten. Und dann die Spritkosten! Die Maschinen saufen locker um die 15 Liter, es können auch mal über 20 sein. Kommt ganz auf die Fahrweise an. Rühl: „Ich sag immer, wer D-Zug fahren will, muss auch den Zuschlag zahlen.“
Einige Mustang-Fans lauern ständig auf ein Schnäppchen im Internet, bestellen sich für ein paar Dollar Oldtimer aus den USA, die auf Fotos toll aussehen – erleben aber bei Anlieferung oft ihr blaues Wunder. Neben der Werkstatt steht so ein ausgeschlachtetes blaues Wunder, in Metallic und mit schmuckem Vinyldach. Motor und Innenausstattung seien ganz okay gewesen, sagt Rühl, aber die Karosserie: total durchgerostet und voller Löcher. Viereinhalbtausend Dollar hat der Käufer für den Schlitten hingeblättert und dann nochmal locker zweieinhalbtausend für Fracht und Zoll. Er kann es verkraften: Der Mann ist Makler und hat schon zehn Mustangs zuhause stehen. In einer eigens dafür gebauten Halle.
Wie kam er eigentlich selbst an seinen ersten Mustang? „Früher waren jede Menge amerikanischer Autos in Mainz unterwegs“, erzählt Rühl. „Waren ja auch jede Menge US-Soldaten hier.“ In den 60er, 70er und 80er Jahren kurvten die GI’s in Corvettes und anderen imposanten Ami-Schlitten durch die Stadt. Rühl wollte aber unbedingt ein Auto, das nicht jeder hatte. Einen Mustang – den sah man nicht so oft. Rühl kannte sich aus als gelernter Autoschlosser. Bei einem Händler in Gonsenheim erspähte sein Kennerblick einen blauen 71er Mach 1 mit 5,7 Liter-Maschine („Später, als ich ihn fertig hatte, waren’s dann ein bisschen mehr“), das Innere zerschlissen, Motor und Bremsen kaputt, ein Restaurierungsobjekt. Eigentlich genau das Richtige für einen Bastler wie Rühl. Das Problem war nur: „Ich hatte jetzt zwar einen Mustang, aber keine Teile.“ Also begann er Fachzeitschriften zu studieren und stürzte sich auf jede Anzeige, die Ersatzteile anbot, meist kaufte er gleich ganze Kontingente auf. „Es ist immer mehr geworden“, sagt Rühl. Aus dem kleinen Büro kommt ein Seufzer – seine Frau.
Das Ersatzteillager – ein Suchbild
Menschen mit großen Leidenschaften werden oft merkwürdig einsilbig, wenn sie beschreiben sollen, was genau sie begeistert und warum. Rühl erzählt dann etwas von der „Ikone Mustang“ und dem „weltweit meistverkauften Auto nach dem VW Käfer“. Viel aufschlussreicher ist ein Blick in die hintere Hälfte der Werkstatthalle. Es ist das Teilelager. Hier ist zu besichtigen, was der Satz: „Es ist immer mehr geworden“ wirklich bedeutet. „Man nennt mich den Ludolf der Mustangfahrer“, sagt Rühl und versichert sofort: „Ich weiß ganz genau, wo was liegt – und finde es auch!“ Es klingt fast ein bisschen schuldbewusst.
Ein Suchbild: Es fällt in diesem Wirrwarr kaum auf, aber hier drin steht tatsächlich ein komplettes Fahrzeug. Und zwar seit 1992, als Rühl die Werkstatt in Saulheim eröffnete. Unter einer grauen Plane kommt ein stark restaurationsbedürftiger 69er Mach 1 in Ferrari-rot zum Vorschein. Der dritte Nachfolger seines allerersten Mustangs. Sein Schatz. Aber auch: sein ewiges Projekt. „Wenn ich mal drangehen würde, wäre ich in acht Wochen fertig“, sagt Rühl kleinlaut. „Aber ich komme einfach nicht dazu. Vielleicht nächstes Jahr, wenn ich 60 werde.
http://www.allgemeine-zeitung.de/lokale ... 264376.htm
Von Frank Schmidt-Wyk
Du drehst den Zündschlüssel und weckst das wilde Tier. Zwei Meter vor dir erhebt sich unter der Haube ein Grollen, ein Rasseln, ein Blubbern – ein Geräusch jedenfalls, das so gar nichts mit dem Surren moderner Motoren zu tun hat oder gar mit der Geräuschlosigkeit von Elektroautos. Es klingt, als ob der 4,7 Liter Achtzylinder das Benzin genüsslich gurgelt. Du drückst auf das Gaspedal und gleitest über die Wellen der Weinberge wie mit einem Motorboot. In einem dunkelblauen 66er Mustang Cabrio mit stahlblauen Kunstledersitzen fährt man nicht, schon gar nicht zu einem bestimmten Ziel. Man cruist, durch die Gegend.
Nein, mit Vernunft hat das hier nichts zu tun. In einer Zeit, da viel über Abgasgrenzwerte und Elektromobilität geredet wird, ist nichts vernünftig daran, einen 50 Jahre alten Ford Mustang zu besteigen. Ein Auto mit dem Spritverbrauch und dem CO2-Ausstoß eines Kleinflugzeugs. Nicht mal bei VW würden sie es schaffen, eine funktionierende Schummelsoftware zu entwickeln.
Vor der Halle steht das Auto von James Bond
Das ist Walter Rühl also schon mal nicht: ein Mann der Vernunft. Sondern jemand, in dem die Leidenschaft auf maximaler Flamme brennt. Der tagtäglich vierzehn Stunden und mehr in der Werkstatt steht, bis spät abends an historischen Fords herumschraubt und Ersatzteilkataloge wälzt. Der auch noch das Glück hatte, mit seiner Frau Ute früh eine Partnerin gefunden zu haben, die ihn nicht etwa einbremste, sondern sich gemeinsam mit ihm auf das Abenteuer Mustang einließ.
Seit 1992 gibt es die Werkstatt am Ortsrand von Nieder-Saulheim, in der Kellereistraße. „Walters Auto Service“: ein klarer Fall von Understatement. Dass sich dieser Betrieb auf Legenden mit vier Rädern spezialisiert hat, deutet der Name nicht mal an. Ist auch gar nicht nötig – in Deutschland, ach was, in Europa gibt es nicht viele vergleichbare Werkstätten. Rühls Kunden kommen aus dem ganzen Rhein-Main-Gebiet, aus Köln, Berlin, aus den Niederlanden, aus der Schweiz, aus Österreich, insgesamt rund 330, allesamt Besitzer eines Ford Mustangs aus der ersten Baureihe, die zwischen 1964 und 1973 in Detroit vom Band lief. Spätere Modelle sind für Liebhaber weniger interessant. Ute Rühl, die sich bei „Walters Auto Service“ um die Buchhaltung kümmert, zeigt auf ein knallrotes Cabrio vor der Halle: Der Besitzer, ein Mann aus Frankfurt, zieht demnächst nach Spanien und lässt den prächtigen Wagen hier nochmal gründlich durchchecken – wer weiß, ob er in Spanien jemanden findet, der sich genau so liebevoll um sein Baby kümmert wie die Rühls in Saulheim.
Draußen stehen noch etliche weitere Schätze. Der 68er GT 390 Fastback eines Frankfurter Kunden, das gleiche Modell, mit dem Steve McQueen im Kultfilm „Bullitt“ durch San Francisco jagt: elegantes Schrägheck, unter der Motorhaube ein respekteinflößender 6,6 Liter Achtzylinder. Später fährt ein Hotellier aus Kelsterbach seinen 73er Mach 1 Fastback vor. Es ist der Wagen, mit dem Sean Connery in „Diamantenfieber“ als James Bond in Las Vegas den Sheriff narrt. Rühl hatte sogar mal den Original 65er GT aus dem Actionthriller „Lock Up“ da. Im Fahrzeugbrief stand noch der Name des früheren Besitzers: Sylvester Stallone. Offenbar hatte sich der Schauspieler bei den Dreharbeiten so in den Mustang verguckt, dass er ihn kaufte.
Diese Werkstatt ist nicht nur ein Museum mit täglich mehrfach wechselndem Inventar, sondern auch ein bisschen wie Kino: Wenn morgens das Schiebetor hochgeht und den Blick in die Halle freigibt, ist es, als ob sich ein Vorhang hebt.
Ein blaues Wunder in Metallic
Man ahnt es: Wer einen schicken 1er Mustang fahren will, sollte schon etwas Kleingeld übrig haben. Unter 30 000 Euro läuft nichts, sagt Rühl. Also für einen Restaurierten. Und dann die Spritkosten! Die Maschinen saufen locker um die 15 Liter, es können auch mal über 20 sein. Kommt ganz auf die Fahrweise an. Rühl: „Ich sag immer, wer D-Zug fahren will, muss auch den Zuschlag zahlen.“
Einige Mustang-Fans lauern ständig auf ein Schnäppchen im Internet, bestellen sich für ein paar Dollar Oldtimer aus den USA, die auf Fotos toll aussehen – erleben aber bei Anlieferung oft ihr blaues Wunder. Neben der Werkstatt steht so ein ausgeschlachtetes blaues Wunder, in Metallic und mit schmuckem Vinyldach. Motor und Innenausstattung seien ganz okay gewesen, sagt Rühl, aber die Karosserie: total durchgerostet und voller Löcher. Viereinhalbtausend Dollar hat der Käufer für den Schlitten hingeblättert und dann nochmal locker zweieinhalbtausend für Fracht und Zoll. Er kann es verkraften: Der Mann ist Makler und hat schon zehn Mustangs zuhause stehen. In einer eigens dafür gebauten Halle.
Wie kam er eigentlich selbst an seinen ersten Mustang? „Früher waren jede Menge amerikanischer Autos in Mainz unterwegs“, erzählt Rühl. „Waren ja auch jede Menge US-Soldaten hier.“ In den 60er, 70er und 80er Jahren kurvten die GI’s in Corvettes und anderen imposanten Ami-Schlitten durch die Stadt. Rühl wollte aber unbedingt ein Auto, das nicht jeder hatte. Einen Mustang – den sah man nicht so oft. Rühl kannte sich aus als gelernter Autoschlosser. Bei einem Händler in Gonsenheim erspähte sein Kennerblick einen blauen 71er Mach 1 mit 5,7 Liter-Maschine („Später, als ich ihn fertig hatte, waren’s dann ein bisschen mehr“), das Innere zerschlissen, Motor und Bremsen kaputt, ein Restaurierungsobjekt. Eigentlich genau das Richtige für einen Bastler wie Rühl. Das Problem war nur: „Ich hatte jetzt zwar einen Mustang, aber keine Teile.“ Also begann er Fachzeitschriften zu studieren und stürzte sich auf jede Anzeige, die Ersatzteile anbot, meist kaufte er gleich ganze Kontingente auf. „Es ist immer mehr geworden“, sagt Rühl. Aus dem kleinen Büro kommt ein Seufzer – seine Frau.
Das Ersatzteillager – ein Suchbild
Menschen mit großen Leidenschaften werden oft merkwürdig einsilbig, wenn sie beschreiben sollen, was genau sie begeistert und warum. Rühl erzählt dann etwas von der „Ikone Mustang“ und dem „weltweit meistverkauften Auto nach dem VW Käfer“. Viel aufschlussreicher ist ein Blick in die hintere Hälfte der Werkstatthalle. Es ist das Teilelager. Hier ist zu besichtigen, was der Satz: „Es ist immer mehr geworden“ wirklich bedeutet. „Man nennt mich den Ludolf der Mustangfahrer“, sagt Rühl und versichert sofort: „Ich weiß ganz genau, wo was liegt – und finde es auch!“ Es klingt fast ein bisschen schuldbewusst.
Ein Suchbild: Es fällt in diesem Wirrwarr kaum auf, aber hier drin steht tatsächlich ein komplettes Fahrzeug. Und zwar seit 1992, als Rühl die Werkstatt in Saulheim eröffnete. Unter einer grauen Plane kommt ein stark restaurationsbedürftiger 69er Mach 1 in Ferrari-rot zum Vorschein. Der dritte Nachfolger seines allerersten Mustangs. Sein Schatz. Aber auch: sein ewiges Projekt. „Wenn ich mal drangehen würde, wäre ich in acht Wochen fertig“, sagt Rühl kleinlaut. „Aber ich komme einfach nicht dazu. Vielleicht nächstes Jahr, wenn ich 60 werde.